© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
Provenienzforschung
1. Provenienzforschung am Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
Die Provenienzforschung (abgeleitet vom lateinischen Wort provenire = hervorkommen, entstehen) beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Erforschung der Herkunft eines Objektes/Kulturguts oder menschlicher Überreste.
Dabei verfolgt die Provenienzforschung den Weg, den ein Objekt oder menschlicher Überrest von seinem Ursprungsort bis zu seinem heutigen Platz im Museum genommen hat. Im Idealfall können dabei unterschiedliche Stationen aufgezeigt und beteiligte Personen/Besitzer:innen ermittelt werden. Warum ist das wichtig? Bis in heutige Zeit bestimmen Menschen mit mehr Reichtum und Macht über andere Personen und Ressourcen. In historischen Zeiten war dieses asymmetrische Machtgefälle noch größer (Kolonialismus). Dies führte dazu, dass Objekte und menschliche Überreste oftmals für wenig Geld gekauft, gegen etwas Minderwertiges getauscht bzw. gestohlen oder geraubt worden sind. Insofern haben die späteren Besitzer:innen sie nach unserem heutigen Verständnis nicht rechtmäßig erworben. Diese Unrechtmäßigkeit blieb auch bestehen, als die Objekte/menschlichen Überreste im Laufe ihrer Geschichte ins Museum kamen. Wenn es nun mittels Provenienzforschung gelingt herauszufinden, woher ein Objekt/menschlicher Überrest stammt, können die Mitarbeitenden einen Schritt weitergehen und versuchen, die Nachfahren der einstigen Eigentümer:innen/Hersteller:innen bzw. die Familienangehörigen zu ermitteln. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Objekte und insbesondere menschliche Überreste zeitnah zurückzugeben bzw. mit den Nachfahren in Kontakt zu treten, um sich über den Verbleib, Umgang und Zugänglichkeit auszutauschen.
2. Unsere Haltung
Das Landesmuseum Natur und Mensch strebt eine umfassende provenienzgeschichtliche Aufarbeitung seiner kolonialen Bestände sowohl im Bereich der Ethnologie als auch in der Naturkunde an. Das Museum und seine Mitarbeitenden fühlen sich den im sog. Ersten Eckpunktepapier festgehaltenen Punkten, wie Aufarbeitung, Transparenz, Vorrang von menschlichen Überresten bei der Aufarbeitung und Rückführungen an Herkunftsgesellschaften verpflichtet. Darüber hinaus entwickelt das LMNM eigene Haltungen zu dem Thema, die hier als herunterladbare Dateien hinterlegt werden. Darin ist bspw. der Umgang mit menschlichen Überresten, die Verwendung von Bildmaterial und die Bemühungen um eine dekoloniale Sprache festgehalten (coming soon).
3. Provenienzforschungsprojekte des Museums
Folgende Projekte finden am Landesmuseum Natur und Mensch statt:
Ein ikegobo in Oldenburg, kurzfristiges Provenienzforschungsprojekt, gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (noch nicht gestartet)
Durchführung: N. N.
Informationen zum Projekt
Provenienzforschung zur anthropologischen Schädelsammlung im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg (LMNM)
Im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit den im Museum aufbewahrten menschlichen Überresten hat das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderte Projekt interdisziplinär, anthropologisch und historisch koloniale Provenienzen bei 34 menschlichen Schädeln und zwei Gipsabgüssen untersucht.Durch die Auswertung historischer Quellen konnte gezeigt werden, dass die meisten Gebeine zwischen 1850 und 1913 durch Kaufleute, zivile Seeleute und Marineangehörige, Ärzte und Apotheker ins Museum gekommen sind. Sie stammen aus Nord- und Südamerika, Asien, Ozeanien, Australien und Afrika.
Sofern es die Überlieferung zuließ, wurde versucht, die Umstände unter denen die Schädel „gesammelt“ worden sind sowie den Weg aus ihren Herkunftsregionen bis nach Oldenburg nachzuzeichnen. Dies bildet die Grundlage für den Dialog mit den Nachfahren, um die Gebeine zu repatriieren.
Durchführung: Dr. Ivonne Kaiser
Informationen zum Projekt
Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen (PAESE)
Im Rahmen des Niedersächsischen Verbundforschungsvorhabens „Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen“ (kurz PAESE) wurden im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg die Herkunft – die Provenienz – und die Erwerbsumstände ethnologischer Objekte aus kolonialen Kontexten untersucht. Im Fokus des Oldenburger Teilprojekts stand die sogenannte „Langheld-Sammlung“, welche von den Militärangehörigen Wilhelm, Johannes und Friedrich Langheld in einem Zeitraum von 1889 und 1901 angelegt wurde und primär Alltags- und Gebrauchsgegenstände sowie Waffen aus dem Gebiet des heutigen Tansania und Uganda umfasst. Im Rahmen eines Dissertationsvorhabens wurden koloniale Sammelpraktiken in militärischen Kontexten betrachtet und untersucht, inwieweit sich daraus Unrechtskontexte rekonstruieren lassen.Ziel war es außerdem, eine transparente Übersicht über die Oldenburger Objektbestände aus kolonialen Kontexten zu generieren und die Ergebnisse der Provenienzforschung mit diesen Beständen digital zu verknüpfen. Die Ergebnisse sollen Wissenschaftler:innen über die Datenbank des PAESE-Projekts online weltweilt zur Verfügung stehen.
Durchführung: Jennifer Tadge
Informationen zum Projekt und zur Publikation von Projektergebnissen
Informationen zum Oldenburger Teilprojekt
Weitere Forschungsprojekte zu Beständen aus kolonialen Kontexten finden Sie hier.
4. Archivalien für die Provenienzforschung
Umfassendes Archivmaterial zur Dokumentation von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten hat das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg der Abteilung Oldenburg des Niedersächsischen Landesarchivs übergeben. Damit sind die Bestände öffentlich über das Portal des Archivinformationssystems Niedersachsen und Bremen recherchierbar.
5. Kontakt
Das Landesmuseum Natur und Mensch geht offen und transparent mit der Provenienzforschung zu seinen Beständen um. Bei Fragen zu den Beständen und der Haltung des Museums, kontaktieren Sie daher gerne:
The Landesmuseum Natur und Mensch deals openly and transparently with provenance research on its holdings. If you have any questions about the museum’s holdings and attitude, please do not hesitate to contact us:
Dr. Ursula Warnke
Direktorin
0441/40570-301
u.warnke(at)landesmuseen-ol.de
Damm 38-46
26135 Oldenburg